Verschwörhaus 2022 - Das Update

Verschwörhaus 2022 - Das Update

Wer in den letzten 12 Monaten unsere öffentlichen Posts und Tweets verfolgt hat, weiß, dass das Verschwörhaus aktuell den größten Umbruch seiner Geschichte durchlebt. Seit nun gut einem Jahr befinden wir uns in einem sich stetig zuspitzenden Konflikt mit der Ulmer Stadtverwaltung. Wir haben deshalb im Sommer die geliebten und von uns im Lauf der Jahre gestalteten, ursprünglichen Räumlichkeiten am Weinhof 9 verlassen müssen. Auch danach entwickelte sich der Konflikt weiter und gipfelte unlängst in einer Klage der Stadt gegen uns. Diese will erreichen, dass wir den Namen „Verschwörhaus“ und unser Logo nicht mehr benutzen dürfen. Damit verbunden müssten wir sämtliche von uns eingerichteten und betriebenen Domains inklusive Website und E-Mails, Social-Media Kanäle unter unserem Namen etc. einstellen beziehungsweise an die Stadt abgeben.

Viele wichtige Hintergrundinformationen hierzu haben wir bis heute nicht veröffentlicht. Bis zum Sommer 2022 wollten wir der Stadtspitze die Chance geben, ihr Gesicht zu wahren und versuchten, wieder zueinander zu finden. Um die Verhandlungen zu Nutzungskonzepten und -verträgen nicht zu gefährden, schränkten wir unsere Präsenz nach außen hin stark ein und gingen in eine Phase diplomatischer Ruhe über. Die Verwaltung hatte schließlich als Mieterin der Räume am Weinhof ein sehr wirkungsstarkes Machtinstrument gegen uns in der Hand. Später lag unsere Funkstille schlicht auch daran, dass – im Gegensatz zu uns – „die Stadt Ulm hier die Möglichkeit hat, mit Juristen, mit Anmeldung der Marke, mit viel Geld aus dem Stadthaushalt“ zu versuchen, ihre Position durchzusetzen (Zitat Peter Oderschenka im eGovernment-Podcast 10/22). Wir als Ehrenamtliche mussten (und müssen) hingegen stets unsere Freizeit und die eigenen Mittel aufwenden, um auf die uns immer wieder in den Weg gelegten Hindernisse kurzfristig zu reagieren.

Wir möchten nun in diesem Post – nach 12 spannenden, lehrreichen und kräftezehrenden Monaten – die Veröffentlichung einiger Hintergrundinformationen nachholen, um euch einen Überblick über die Auseinandersetzung sowie einen Ausblick zu geben.

Zusammengefasst geht es um Folgendes:

  • Woher kamen die Menschen, die sich in Ulm bereits ab ca. 2010 mit Civic Tech beschäftigten? Was ist unsere Motivation, und warum entstand aus unserer Mitte heraus die Idee für einen Ehrenamtsspace in Ulm?
  • Wie arbeiteten wir die Idee eines solchen Ortes aus, und wann wurde der Name „Verschwörhaus“ überhaupt erstmals öffentlich – noch bevor die Räume am Weinhof eröffnet waren – verwendet? Wie kamen wir zur Zusammenarbeit mit der Stadt als Fördergeberin?
  • Wie fand die Stadtverwaltung Geschmack an dem von uns geprägten Namen und unserer Arbeit – und warum kippte schließlich das Verhältnis, während die von uns eingerichteten Räume immer mehr als Fassade genutzt und unsere Arbeit als Dienstleister:innen in Anspruch genommen wurde? Welche Vorstellungen zum Betrieb eines Hack- und Makespaces hatte die Stadt in den entsprechenden Verhandlungen, und wieso unterschieden sich diese stets von unseren?

In “Akt zwei“ erzählen wir

  • von den arbeitsintensiven Verhandlungen ab Ende 2021, die unvorhergesehenen Aktionen wie Schlössertausch I und II, und nicht zuletzt die parallel zu den Verhandlungen durchgeführte heimliche Markenanmeldung der Stadt, sowie
  • davon, wie die Stadt danach unseren Verbleib in den Räumen an die Aufgabe unseres Namens knüpfte, über unseren unfreiwilligen Auszug, die Abmahnung und die Klage.

Es geht in diesem Post also um nicht weniger als unsere Zukunft, um die Frage nach der Wertschätzung von und den Umgang mit ehrenamtlicher Arbeit, die Digitalisierung der Verwaltung in Deutschland und wann Ehrenamt als nützlich erachtet wird – und wie viel Selbstbestimmtheit und Unabhängigkeit ihm dabei zugestanden wird.

Strap in, this is going to be a long one (finally!) ;)

Table of contents:

  1. Unsere Anfänge und Motivation
  2. Die Stadtverwaltung findet Geschmack an unseren Leistungen
  3. Die Gründung unseres gemeinnützigen Vereins
  4. Die Wertschätzung des Ehrenamtes
  5. Die Verhandlungen mit der Stadtverwaltung Ulms
  6. Die Markenanmeldung
  7. Die Umdeutung unseres Namens
  8. Der Rauswurf des Verschwörhauses aus den Räumen des Stadtlabors
  9. Abmahnung und Klage
  10. Ausblick und sonstige Bemerkungen

Unsere Anfänge und Motivation

Mit Stefan Kaufmanns Weggang vor fast genau einem Jahr, begann für uns eine damals noch nicht absehbare Kette an sich steigernden Eskalationen in Bezug auf den Umgang der Ulmer Stadtverwaltung mit uns. Bevor wir aber unsere Sicht auf den Konflikt schildern, wollen wir kurz die Zeit zurückdrehen: Wie haben wir ursprünglich angefangen, woher kommt unser Name „Verschwörhaus“ und was wollten wir damals (und auch heute noch) überhaupt erreichen?

Die Ursprünge des Verschwörhaus lassen sich bis ca. 2009–2011 zurückverfolgen, als sich an der Universität Ulm einige damalige Studierende für den Austausch rund um Open Data zur datalove-Gruppe zusammenschlossen und UlmAPI.de gründeten. 2014 wurde die Gruppe zu einem Gründungsmitglied des Code-for-Germany-Netzwerks, einem deutschlandweit aktiven Netzwerk von Ehrenamtlichen, das sich intensiv mit Open Data und Verwaltungsdigitalisierung beschäftigt. Eine digitalisierte Verwaltung wiederum sehen wir als grundlegenden Baustein für das zukünftige Zusammenleben in unserer Gesellschaft, da sie politische Teilhabe vereinfacht. Aus der Uni-Gruppe heraus entstand früh der Gedanke, die digitale Transformation nicht nur an der Universität, sondern auch in der Ulmer Stadtgesellschaft voranzutreiben. Die Gruppe betrieb beispielsweise ein erstes inoffizielles Datenportal, auf dem offene Daten der Stadt abrufbar waren. Außerdem setzte sich die Gruppe 2014 dafür ein, das Jugendbildungsformat „Jugend hackt“ nach Ulm zu bringen, um junge Menschen an die Prinzipien von Open Data und zivilgesellschaftlichen Engagements im Tech-Sektor heranzuführen. So wurde Ulm schon 2015 zu einer der ersten Jugend-hackt-Vorreiterstädte außerhalb Berlins – getrieben von einer starken, örtlichen Community, die schnell deutschlandweit wahrgenommen wurde.

Erstes Jugend hackt-Event in Ulm, 2015

Erstes Jugend hackt-Event in Ulm, 2015

Im Jahr 2015, bei der Abschlussveranstaltung des ersten Jugend hackt-Events in Ulm, konnte Stefan Kaufmann dem damaligen 1. Bürgermeister Gunter Czisch die Idee vorstellen, diesen zivilgesellschaftlichen Aktivitäten langfristig in der Innenstadt einen Platz zu geben. Nach dem Vorbild der Hack- und Makespace-Bewegung sollte mit Hilfe städtischer Förderung ein Ort entstehen, an dem die digital engagierte Zivilgesellschaft ehrenamtliche Projekte öffentlichkeitswirksam durchführen und ihr Wissen unkompliziert an die Stadtgesellschaft weitergeben kann. Das Glück schien auf unserer Seite: Herr Czisch war schnell angetan von der Idee, so dass ein Konzept für die Zusammenarbeit entstand, welches unsererseits auf der Idee eines „Haus des Freien Wissens“ von Wikimedia Deutschland und einem gemeinsam mit der Open Knowledge Foundation Deutschland entwickelten Vorschlag basierte. Der Name “Verschwörhaus” stammt aus dieser Konzeptionszeit ab 2015. Er wurde von uns Ehrenamtlichen erfunden, nachweislich zuerst öffentlich benutzt und stieß zunächst relativ lange Zeit auf Widerstand in der städtischen Verwaltung.

Auf Basis dieses Konzepts beschloss schließlich am 18.04.2016 der Hauptausschuss des Gemeinderats mit der Gemeinderatsdrucksache (GD) 198/16 die Einrichtung eines „Stadtlabor[s]“. Unter diesem Namen wurde das „Experimentierfeld für die Stadt von morgen“ von der Stadt Ulm in den uns inzwischen so gut bekannten Räumlichkeiten am Weinhof 9 gefördert. Diese ursprüngliche Beschlussvorlage erwähnte noch nicht den Namen „Verschwörhaus“, obwohl die Community den Begriff damals bereits verwendete und ihn dadurch langsam durchsetzte. Erst 2017 wurde der von uns gewählte und zwischenzeitlich intensiv verwendete Name „Verschwörhaus“ offiziell in der GD 125/17 das erste mal von städtischer Seite erwähnt. Die positive Medienberichterstattung aufgrund der Wirkung der ehrenamtlichen Arbeit der Verschwörhaus-Community hatte offenbar geholfen, den in der Verwaltung zunächst kritisch gesehenen Begriff für unsere Arbeit durchzusetzen und auch in eigenen Drucksachen der Verwaltung aufzugreifen.

So viel zur Entstehung unseres Namens. Aber was hat uns die letzten Jahre eigentlich durchgehend angetrieben?

Unsere zentrale Motivation seit unseren Anfängen war schon immer, die Digitalisierung in Deutschland, und insbesondere in der Stadt Ulm, „von unten“ voranzutreiben. Wir legen dabei bis heute großen Wert auf den dafür notwendigen Kompetenzaufbau in der Verwaltung, ohne den es unserer Erfahrung nach nicht geht. Basierend auf unserer Erfahrung wollten wir die Vorgehensweise und Entscheidungen bei IT-Projekten der öffentlichen Hand kritisch begleiten, sowie einer breiten Öffentlichkeit die Möglichkeit geben, sich auch selbst an neuen, „digitalen“ Dingen auszuprobieren – vor allem in den für uns zentralen Bereichen rund um öffentliche Daten, Nachhaltigkeit und Bildung.

Uns ging es nie um „Fassadendigitalisierung“ – also die Praxis, kurzfristige Projekte anzustoßen, die nach Außen den Eindruck von Modernität vermitteln, indem sie z.B. möglichst viele, gehypte Begriffe verwenden. Langfristig bringen diese Projekte oft so gut wie keinen nachhaltigen Nutzen. Ein Beispiel wäre der so beliebte Aufbau einzelner Leuchtturmprojekte, die sich auf Förderanträgen gut machen und am Ende in aller Regel nur den Geförderten für kurze Zeit finanzieren. Uns geht es vielmehr um nachhaltige Transformation unserer Gesellschaft hin zu mehr digitaler Mündigkeit, sowie den Aufbau langfristig funktionierender Infrastrukturen. Im ehrenamtlichen Netzwerk „Code for Germany“, in dem unsere Ursprungsgruppe bis heute aktiv ist, konnten wir über Jahre hinweg immer wieder erleben, dass stets aufs Neue irgendwelche Dashboards und Portale „erfunden“ werden – und letztlich immer an denselben, viel tiefer liegenden infrastrukturellen Problemen scheitern, um die sich in den Förderprojekten nie jemand kümmert. Wir haben praktische Erfahrung im Umgang mit Daten. Wir wissen, welcher unspektakulär klingende und oft vernachlässigte Unterbau für nachhaltige, digitale Lösungen wirklich nötig ist. Mit anderen Worten, wir stellen uns weniger Fassaden vor, sondern mehr die Strom- und Wasserversorgung, auf die langfristig Wohnhäuser und unseretwegen danach auch Leuchttürme aufbauen können.

WikiData Workshop im Innenhof am Weinhof

WikiData Workshop im Innenhof am Weinhof

Geprägt von dieser Motivation haben wir jahrelang genau diese Ziele verfolgt. Wir schufen dabei zahlreiche Bildungsangebote, veranstalteten Workshops, luden Gäste, bespielten Kongresse, Camps und Kulturnächte, richteten Werkstätten im Haus ein, kreierten nachhaltige Projekte, warben umfangreiche Fördermittel und Einrichtung für die Räumlichkeiten ein, und halfen – so zumindest unsere Hoffnung – sowohl der Bürgerschaft in unserer Stadt Ulm als auch immer wieder auf überregionaler Ebene den Weg zur Gesellschaft der Zukunft mitzugestalten.

Wir taten dies immer in dem Glauben, dass wir von der Stadt eine Art „Hülle“ gestellt bekommen, die wir selbst nach unseren Werten gestalten, einrichten, prägen und entwickeln können. So ist in der grundlegenden GD 198/16 von einer „Anschubfinanzierung“ durch die Stadt die Rede, damit „bis zur endgültigen Festlegung einer Kooperations- und Rechtsform“ die Sicherung der Räume ermöglicht werden soll. Auch 4 Jahre später noch, in GD 234/20 wird hervorgehoben, dass wir „das Haus als etwas von [uns] selbst Gestaltbares wahrnehmen“ sollen, „auf das wir aktiv Einfluss nehmen können“ sollen. Hierzu später mehr.

Wir handelten also stets, um dem von uns so wahrgenommenen Auftrag nachzukommen, die Hülle des städtischen Förderprojekts „Stadtlabor“ selbstbestimmt und selbstverwaltet mit unseren Inhalten zu füllen. Diesen Inhalten und unserer Community gaben wir den Namen „Verschwörhaus“.

Die Stadtverwaltung findet Geschmack an unseren Leistungen

Bis zum Jahr 2018 waren wir einfach nur eine Gruppe Ehrenamtlicher, vereint unter unserem Namen, die in von der Stadt geförderten Räumlichkeiten ihre ursprünglichen Ideen ganz im Sinne der ersten GDs verwirklichen konnte. Dann kam – für uns unvorhergesehen und ohne, dass wir in die Pläne und Strategien mit einbezogen worden waren – die damals bei der Zentralstelle der Stadt neu gegründete Digitale Agenda (DA bzw. Z/DA) der Stadt Ulm ins Spiel. Als die DA Anfang 2018 in zusätzliche im Weinhof 7 angemietete Räume zog und als städtische Dépendance Verwaltungsangestellte in die Räumlichkeiten brachte, hatten wir die Hoffnung, dass unsere Mission des Kompetenzaufbaus in der Verwaltung hierdurch weiter Fahrt aufnimmt. So unterstützten Ehrenamtliche aus unseren Reihen beispielsweise immer wieder Veranstaltungen zur Zukunftsstadt umfangreich mit Veranstaltungstechnik – gratis, in unserer Freizeit, weil wir dachten, damit unsere Vision einer nachhaltigen und strategisch durchdachten Digitalisierung zu fördern.

Im Nachhinein betrachtet zeichnete sich jedoch schon bald ab, dass die Zusammenarbeit immer wieder hakte. Insbesondere bei unserer ehrenamtlichen Arbeit bemerkten wir immer häufiger eine Anspruchshaltung seitens der Verwaltung. Zunehmend nutzte die Stadtverwaltung die von uns gestalteten Räume als hip und modern wirkende Kulisse für eigene Veranstaltungen, ohne dass die Engagierten dabei selbst zu Wort kommen und ihre Sicht darstellen sollten. Die von uns beschaffte Technik und unser Know-How haben wir anfangs wiederholt gerne als Freundschaftsdienst und im Sinne einer Wissensweitergabe und Kompetenzsteigerung in der Verwaltung freiwillig zur Verfügung gestellt. Wie erwähnt konnten wir dadurch zum Gelingen von mehreren städtischen Veranstaltungen im Rahmen ihres Programms zur “Zukunftsstadt 2030” beitragen. Durch den für die Verwaltung oftmals beobachtbaren Mehrnutzen in Zusammenarbeit mit uns als “Verschwörhaus” entstand wohl eine Anspruchshaltung seitens der Stadtverwaltung, dass diese ehrenamtliche Beteiligung ab sofort wie selbstverständlich auf Abruf zur Verfügung zu stehen hätte. Die Stadt betrachtete unserer Wahrnehmung nach die von uns eingerichteten Räume, in denen wir häufige, regelmäßige Angebote für die Bürger:innenschaft bereitstellten, wie ein gemachtes Nest, um nach Belieben städtische Veranstaltungen abzuhalten (wofür wir dann bitte mit der von uns organisierten und für Bürger:innen gedachten Hardware Streams organisieren und unsere Zeit aufwenden sollten). Regelmäßig mussten wir Ehrenamtlichen auch erst die tagsüber von der Digitalen Agenda als Meetingräume genutzten Workshop- und Veranstaltungsräume aufräumen, um abends eigenes Programm durchführen zu können. Auch schmückte sich die Stadt nach außen hin gerne mit unseren ehrenamtlichen Projekten und behauptet ihren eigenen Angaben zufolge in der Klageschrift von 2022 (mehr dazu später), über die Jahre hinweg u.a. mit Hilfe unseres Namens Fördermittel in immenser Höhe eingeworben zu haben. Diesen Summen gegenübergestellt, war das Verschwörhaus jahrelang extrem „günstig“ für die Stadt; insbesondere, weil wir selbst Eigenleistungen und Equipment in hohem sechsstelligen Gegenwert in die Räume einbrachten und betrieben.

Die Stadt fand also langsam Gefallen an dem Namen und die initiale Ablehnung dieses komischen “Verschwörhaus” verwandelte sich in Wertschätzung – wenn auch subjektiv nicht unbedingt für unsere Arbeit an sich, so immerhin für unsere inzwischen überregionale Bekanntheit, von der die Stadtverwaltung regelmäßig profitierte.

Die Gründung unseres gemeinnützigen Vereins

Auf der anderen Seite unterlag die städtische „Stadtlabor“-Stelle für die Anschubfinanzierung den üblichen Auflagen, die eine Kommunalverwaltung mit sich bringt. Für eine Stadtkasse ist es beispielsweise sehr herausfordernd, spontan Dinge aus dem Ausland zu bestellen. Wenn die radforschung-Gruppe mit Funk-Fahrradschlössern experimentieren wollte – woraus wir der Stadt später eines von mehreren quasi schlüsselfertigen Förderprojekten anbieten konnten (siehe OpenBike), war das schwierig mit städtischen Mitteln umzusetzen. Auch wenn wir Platinen entwarfen, lag es an Stefan Kaufmann – laut seinem Arbeitsvertrag Leiter des Rahmen-Projekts „Stadtlabor“ – die Kluft zwischen digitalem Ehrenamt und Verwaltungsrecht zu überbrücken. Des Weiteren wurden anhaltend und bis zuletzt unsere Rufe nach mehr hauptamtlicher Unterstützung überhört. Dazu hätte zum Beispiel eine weitere Teilzeitstelle gehören können, die uns bei der stetigen Durchführung unserer Maker-Mondays helfen sollte. Unser Dank gilt an dieser Stelle der initiative.ulm.digital, durch deren Förderung wir ab 2017 – recht genau ein Jahr nach Eröffnung der Räume – bis Ende 2020 eine weitere hauptamtliche Teilzeitstelle bei der Open Knowledge Foundation finanzieren konnten. Die hunderten angebotenen, offenen Termine jedes Jahr müssen also stets vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass diese zum überwältigenden Teil von ehrenamtlich Engagierten in ihrer Freizeit umgesetzt wurden.

Nicht zuletzt um einfacher Material beschaffen zu können, weitere Mittel einzuwerben und auch selbst Personen beschäftigen zu können, gründeten wir schließlich mit etwas Verspätung Mitte 2019 – wie zwei Jahre zuvor in der GD 125/17 schon angestrebt – unseren gemeinnützigen Verein, den Verschwörhaus e.V. Es war übrigens nie nötig, in diesem Verein Mitglied zu werden, um sich im Verschwörhaus im Rahmen unserer Gemeinschaft betätigen zu können. Bis heute gibt es unglaublich aktive Menschen, die sich in unserer Community engagieren, ohne Vereinsmitglieder zu sein.

Zurück zu den Fördermitteln: Wir haben von Beginn an regelmäßig auch selbst finanzielle und materielle Förderungen eingeworben. Von der ersten Multimedia-Ausstattung durch Wikimedia Deutschland (WMDE) im Herbst 2016 über die Finanzierung diverser Workshops und Veranstaltungen mit der Open Knowledge Foundation (OKF) und WMDE, durch Support des Chaos Computer Clubs (CCC) bei unseren Bühnen auf Großveranstaltungen wie dem 36c3, mit einer von 2019 bis Herbst 2021 durchfinanzierten Teilzeitstelle für die Jugend hackt Labs bis hin zu einer sechsstelligen Förderung durch die Digitale Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE): Wir danken all unseren Förderern an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich für die teils jahrelange Unterstützung unserer Arbeit. Mit dieser konnten wir für die Ulmer Stadtgesellschaft wertvolle Programme anbieten. Viele dieser Förderungen waren nur durch uns als Ehrenamtliche überhaupt realisierbar. Die Stadt hätte die meisten dieser Zuwendungen – die sie immer wieder gern in Anspruch nahm – als Kommune niemals erhalten können.

Leider schien die Stimmung in der Stadtverwaltung ungefähr zur Zeit unserer Vereinsgründung zu kippen. Wir hatten immer wieder den Eindruck, dass unsere Beiträge zwar von der Digitalen Agenda für die Selbstdarstellung der Stadt genutzt werden sollten, unsere konstruktiven Vorschläge für langfristig nachhaltige Lösungen jedoch häufig übergangen wurden. Während es eines unserer erklärten Ziele war, unsere Expertise und unser Wissen langfristig in die Verwaltung zu transferieren, fühlten wir uns so immer wieder nur als kostenlose Dienstleister:innen, die gerne in Anspruch genommen wurden, sobald es darum ging, kurzfristig IT-Probleme zu „lösen“.

Ende 2019 legte man uns dann einen ersten Nutzungsvertrag für die Räumlichkeiten am Weinhof 9 vor. Rückblickend betrachtet hätten wir diesen Vertrag wohl unterzeichnen sollen. Er spricht hinsichtlich des Namens und der Nutzung der Räume für und durch das Ehrenamt eine komplett andere Sprache als die Geschichte, die die Stadt im Rahmen ihrer aktuellen Strategie vorzugeben versucht. Wir wollten uns 2019 jedoch auf die Weiterentwicklung der in den Gemeinderatsbeschlüssen anvisierten Selbstverwaltungsstrukturen konzentrieren; dieser Nutzungsvertrag kam für uns überraschend und zur Unzeit und war bald erst einmal einvernehmlich vom Tisch.

Es war Dezember 2019, und niemand von uns konnte sich ausmalen, wie anders die Welt wenige Monate später aussehen würde. Noch viel weniger rechneten wir 2019 damit, wie sich beginnend im Sommer 2021 die Stadtverwaltung uns gegenüber verhalten würde.

Die Wertschätzung des Ehrenamtes

Münsterplatine, entwickelt durch das Ehrenamt

Durch Ehrenamt entwickelte Platine

Im Oktober 2021 beendete Stefan Kaufmann leider seine Tätigkeit als Leiter des Projektes Stadtlabor mit einem Aufhebungsvertrag. Stefan hatte bis dahin stets als Puffer zwischen Stadtverwaltung und Ehrenamt gewirkt. So bekamen wir zwar durchaus mit, dass ihn seine Doppelrolle als einerseits im digitalen Ehrenamt Engagierter und andererseits als Angestellter der Stadtverwaltung zunehmend zermürbte. Wie konkret mittlerweile jedoch die Pläne der Stadtverwaltung geworden waren, unsere ehrenamtlichen Aktivitäten verstärkt zu kontrollieren, hätten wir ihm aus Erzählungen nicht glauben können – diese Erfahrungen mussten wir in den Monaten nach seinem Weggang erst selbst machen.

Wenige Tage nach der Nachricht von Stefans Weggang nahm die emotionale Achterbahnfahrt der vergangenen 12 Monate mit einer fulminanten Eröffnung ihren Anfang. An einem Freitagabend im November war eine uns zuvor längerfristig angekündigte Aussprache mit Gunter Czisch, mittlerweile Oberbürgermeister, geplant. Am selben Vormittag führte die Leiterin der Digitalen Agenda eine nicht angekündigte, kurzfristige Sicherheitsbegehung im Weinhof 9 durch. Sie gab daraufhin an, in den Räumen seien so gravierende Sicherheitsmängel festgestellt worden, dass ein sofortiges Austauschen der Schlösser angebracht und notwendig sei. Wir waren perplex, mussten für das Wochenende geplante Workshops absagen, kamen nicht mehr an unser in den Räumen gelagertes Eigentum und wurden zunächst auch noch nicht einmal über die festgestellten, angeblich gravierenden Mängel aufgeklärt – für die wir implizit angeblich verantwortlich sein sollten. Uns ist bis heute nicht vollständig klar, warum diese Sicherheitsbegehung samt sofortigem Schlössertausch ausgerechnet wenige Stunden vor dem Gespräch mit dem Oberbürgermeister stattfinden musste. Ebenso verstehen wir bis heute nicht, warum bei der Begehung keine der seit vielen Jahren im Gebäude aktiven Ehrenamtlichen anwesend sein sollten. Wir trennten Begehung und Grundsatzdiskussion im Gespräch mit dem Oberbürgermeister am Abend thematisch strikt voneinander, und wünschten uns eine gemeinsame Begehung. Unsere Vermutung war, dass das bei den Aktiven versammelte, beträchtliche Wissen über die Räume und die Eigenheiten des Gebäudekomplexes hilfreich und sogar nötig für eine konstruktive gemeinsame Sicherheitsbegehung gewesen wäre.

Am darauf folgenden Montag fand eine erneute Begehung mit der Feuerwehr statt, bei der nun auch wir anwesend sein durften. Die Feuerwehr stellte deutlich klar, dass der Schlössertausch im Ernstfall dazu geführt hätte, dass die für die Feuerwehr hinterlegten Schlüssel nicht mehr gepasst hätten. Einer der erkannten Hauptmängel waren nicht geschlossene Brandschutzschotte zwischen den Stockwerken des Weinhof 7. Dies war eine Folge von elektrischen Arbeiten, die schon 2020 in offiziellem Auftrag durch eine Fachfirma durchgeführt worden waren. Stefan Kaufmann hatte diese offenen Brandschotte schon nachweislich bemängelt. Ergebnis der Begehung war schließlich, dass dieser Brandschutzmangel schnell durch passende Einsätze behoben werden könne. Bis zu unserem Auszug im Juli 2022 ist dies nicht geschehen. Der zweite relevante Mangel war ein nicht mehr den Vorschriften entsprechender zweiter Rettungsweg aus der Werkstatt im Untergeschoss. Auch hierfür ließ sich schnell eine Interimslösung finden. Die Schlösser wurden nach der zweiten Begehung zurückgetauscht.

Weiterhin bekamen wir in den Wochen danach mit, dass in der Stadtspitze offenbar der Eindruck herrschte, das Verschwörhaus sei „tot“ und es würde in den Räumlichkeiten ohnehin nichts mehr passieren. Das verwundert uns bis heute. Stefan Kaufmann hatte bis zum Auslaufen der Förderung durch die initiative.ulm.digital Ende 2020 jeden Monat einen Bericht über unsere Aktivitäten an die Initiative und auch den OB verfasst. Aus diesen geht sehr deutlich hervor, dass wir regelmäßig während der gesamten Pandemie Workshops auch online durchgeführt hatten. Zudem entstand auf Basis eines von uns während dieser Zeit aufwändig ehrenamtlich aufgetriebenen, gebauten und gepflegten, extrem leistungsfähigen Serverparks eine große BigBlueButton-Videokonferenz-Instanz, die ironischerweise auch Teile der Stadtverwaltung lange und intensiv nutzten, und die als Vorlage für den Rollout des städtischen Angebots für Schulen diente. Des Weiteren gelang es uns als Verein im Herbst 2021, eine signifikante, sechsstellige Fördersumme der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt einzuwerben, mit der wir qualitativ hochwertige Hardware einkaufen konnten, um sie der Bürger:innenschaft Ulms am Weinhof zum Experimentieren zur Verfügung zu stellen.

Noch während wir Ende 2021 mit der Abwicklung dieser Förderung beschäftigt waren, ließ uns die Stadt wissen, dass sie dringend einen Nutzungsvertrag mit uns aushandeln wolle. Die Nutzung der Räume müsse auf eine sichere Rechtsgrundlage gestellt werden, und wir bekamen einen ersten Vertragsentwurf zugesandt.

Dies startete eine lange und zähe Phase der Verhandlungen, über die wir so gut wie gar nicht in der Öffentlichkeit berichteten. Diese Berichterstattung wollen wir nun, im Rückblick, zumindest zusammenfassend nachholen.

Die Verhandlungen mit der Stadtverwaltung Ulms

Los ging es noch an dem Abend des 26.11.2021, an dem die Schlösser das erste Mal getauscht worden waren (s.o.). An diesem Abend hatten wir einen lange geplanten Termin mit der Verwaltungsspitze der Stadt und der Digitalen Agenda, um die Zukunft des Projektes nach dem Weggang Stefan Kaufmanns zu klären. Wir erfuhren kurz zuvor erst über die Presse von einer „Neuausrichtung“ unseres Verschwörhauses. Im Gespräch mit der Verwaltung wurden uns dann Folien gezeigt, auf denen die Digitale Agenda als Steuerungs- und Koordinierungsorgan des „Projekt[s] Verschwörhaus“ beschrieben wurde. Die „Leitung Stadtlabor“ wurde als städtische Stelle der DA dienstlich und fachlich unterstellt und sei für die „operative Umsetzung vor Ort“ verantwortlich. Auch wurde eine „alleinige Nutzung der Räume Weinhof 9“ durch unseren Verein ausgeschlossen. Zur Erinnerung: Der Verein wurde 2019 als ein Teilziel auf dem Weg zur Selbstverwaltung gegründet, um unkompliziert eigene Förderungen einwerben und Materialien bestellen zu können, sowie eine langfristig tragfähige Organisationsform zu bilden. Die Ehrenamtlichen waren schon lange zuvor und auch nach der Gründung des Vereins stets wie in einem klassischen Hack- und Makespace als ehrenamtliche Gruppe organisiert, und hatten auf der Basis gegenseitigen Vertrauens Zugang zu den Räumen. Wie die Stadt schließlich 2021 zu dem Schluss gekommen ist, dass dem Verein eine alleinige Nutzung verboten werden müsse, ist uns bis heute unklar. Dieser Schritt bricht unserer Ansicht nach auch radikal mit allen vorangegangenen Entwicklungsschritten hin zu Selbstorganisation und -verwaltung. Der Nutzungsvertragsentwurf von 2019 hatte noch deutlich andere Rahmenbedingungen vorgesehen.

Gleichzeitig sollte das Verschwörhaus aber freilich, so ein Zitat des OB aus diesem Gespräch „von Bürgern für Bürger sein“. Auch hier fragen wir uns, wieso dann die Digitale Agenda als städtische Abteilung die alleinige Entscheidungshoheit über de facto alle in den Räumlichkeiten stattfindenden Veranstaltungen besitzen sollte und was aus dem noch in der GD 234/20 angepriesenen Modell wurde, dem zufolge es das

„Kernelement der Einbindung der Ehrenamtlichen ist, dass sie das Haus als etwas von ihnen selbst Gestaltbares wahrnehmen, auf das sie aktiv Einfluss nehmen können“.

Wir haben das Haus immer in dem Glauben aufgebaut, dass wir dabei nicht eine städtische Abteilung werden sollen. So wird Oberbürgermeister Czisch in einem SWP-Presseartikel vom 11. Mai 2016 entsprechend zitiert: „Das wird keine städtische Veranstaltung. Wir stellen lediglich den Rahmen zur Verfügung.“ In der GD 234/20 wird dies 4 Jahre später weiter ausformuliert:

„Analog zum Stufenmodell der Beteiligung nach Arnstein sind eine reine Anhörung oder auch Einbeziehung der Wünsche und Bedürfnisse der Freiwilligen keine ausreichenden Partizipationsmodelle. Stattdessen ist es unumgänglich, Selbstverwaltungsstrukturen mit mindestens teilweiser Entscheidungskompetenz zu entwickeln. Hierfür wird im Rahmen der Begleitforschung zur Zukunftsstadt Phase III gemeinsam mit dem ZAWiW ein passendes Modell entwickelt, auch um Grenzen und Herausforderungen der Beteiligung im Verhältnis zur Stadt herauszuarbeiten. 2019 wurde außerdem als bereits seit längerem geplanter Meilenstein (vgl. GD 125/17) ein gemeinnütziger Verein gegründet, in dem sich die Ehrenamtlichen organisieren. Durch die so geschaffene Rechtspersönlichkeit konnten zusätzliche Versicherungen abgeschlossen werden, und es eröffnen sich weitere organisatorische Möglichkeiten, die im Rahmen der städtischen Vorgaben nicht so einfach möglich sind. Durch die Einnahmen des Vereins können zudem notwendige Wartungs- und Unterhaltsmaßnahmen an den technischen Geräten bestritten werden, die die städtischen Aufwendungen ergänzen.“ (Hervorhebungen durch uns)

Von diesen ganzen Vorstellungen war schon Ende 2021 in den Konzeptentwürfen der Stadt für einen Nutzungsvertrag der Räume nicht mehr viel zu sehen.

Hier begann nun die extrem kräftezehrende Verhandlungsphase, die bis ca. Mai 2022 anhielt: Die Stadt übersandte uns einen Vorschlag eines Nutzungsvertrages, und wir sollten diesen so bald wie möglich kommentiert zurücksenden – oftmals mit wenig Rücksicht auf das Zeitbudget ehrenamtlichen Engagements. Immer wieder näherten wir uns in dieser Phase den städtischen Vorstellungen einer gemeinsamen Nutzung der (bisher jahrelang schon ohne Vertrag friedlich genutzten) Räume an, um nur wenige Wochen später mit noch weiter auseinander klaffenden Vorstellungen konfrontiert zu werden. Immer wieder wurden von der Stadt Versprechungen gemacht und später völlig anders dargestellt. Eigene Konzepte, die wir zu den Räumen im Weinhof 9 und der Identität ihrer Nutzer:innen entwickelten, wurden ignoriert. Dabei waren unsere Vorschläge stets darauf ausgerichtet, einen möglichst einfachen Betrieb eines freien Hack- und Makespaces zu gewährleisten, der von und für Bürger:innen selbstverwaltet agieren kann. Orientierung gaben uns hierbei andere Spaces, die Hackerethik, die oben schon genannten GDs u. Ä., die sich aus jahrelanger Erfahrung und Best Practices anderer Gemeinschaften und Städte entwickelten. Unser Ziel war es, nachhaltige Strukturen und damit Nutzen für die Bürger:innen vor Ort zu schaffen. Dennoch bewegten wir uns immer wieder auf die Stadt zu und waren bereit, Kompromisse einzugehen – auch wenn sich dadurch unserer Meinung nach zuvor schon funktionierende Abläufe für alle Beteiligten, inklusive der Ulmer Bürgerschaft, verschlechtert hätten. Dass die Stadt in der öffentlichen Darstellung immer wieder das Gegenteil behauptet, befremdet uns vor diesem Hintergrund sehr. Bemerkenswert ist auch, dass die Stadt stets nur unseren Verein „Verschwörhaus e.V.“ als Vertragspartner ansprach; sie tat und tut sich offenbar durchgehend schwer, die ehrenamtliche Community außerhalb des formalen Konstrukts des Vereins anzuerkennen.

Es ist schwer, in Worte zu fassen, wie viel ehrenamtliche Zeit, Kraft und Nerven es uns als Gruppe gekostet hat, diese mühseligen Verhandlungen über Monate hinweg zu führen. Einige von uns hatten neben ihren täglichen Vollzeitjobs immense Energie in die Verhandlungen gesteckt – immer in der Hoffnung, bald eine neue, aber sicherere Rechtsgrundlage für einen gemeinsamen und konstruktiven Betrieb der Räumlichkeiten zu finden. Ehrenamtliche Arbeit muss für uns sinnstiftend sein um zu erfüllen und zu freiwilliger Leistung anzuregen. Da jedoch in den Vorschlägen der Stadt ohne erkennbare Not zunehmend Verwaltungsarbeit und Einschränkungen auf uns Ehrenamtliche zukamen, brannten mehrere unserer Aktiven im Laufe des Prozesses immer weiter aus. Die Erwartungshaltung sowie der Umgang der Stadt mit der Community in dieser Zeit legen nahe, wie erschreckend wenig die Verwaltung die notwendigen Voraussetzungen für das kontinuierliche Engagement Ehrenamtlicher verstanden hatte – mit dem sie sich dennoch seit geraumer Zeit schmückte.

Die Markenanmeldung

Zu allem Überfluss mussten wir im Januar 2022 – also noch recht früh und parallel zu den laufenden Verhandlungen über einen Nutzungsvertrag – von Dritten erfahren, dass die Stadt im Dezember 2021 ohne Absprache mit uns oder dem Designer unseres Logos den Namen „Verschwörhaus“ sowie das Hausi-Logo beim EUIPO als europäische Wort- und Bildmarken zur Anmeldung eingereicht hatte. Weitere Details hierzu erfuhren wir über die Presse. Dies geschah wohlgemerkt zeitlich sehr nah zu unserem Gespräch mit dem OB, bei dem uns von der Stadtspitze noch „Transparenz“ und „gegenseitiger Respekt“ versprochen wurde.

Wir versuchten, die Markenanmeldung von Beginn an von den Verhandlungen über einen Nutzungsvertrag der Räume zu trennen. Mit der Zeit wurde aber klar, dass dies nicht möglich war – insbesondere da die Stadtverwaltung immer vehementer die Position vertrat, ihr Versuch, unseren Namen als Marke für sich anzumelden, sei korrekt und richtig gewesen.

Die Stadtverwaltung war es auch, die zunehmend darauf beharrte, die Markenanmeldung und die Erlaubnis, die Räume weiterhin als ehrenamtliche Community (bzw. als Verein) nutzen zu dürfen, untrennbar miteinander zu verknüpfen. Da wir den Namen erdacht und ihn über Jahre zu dem gemacht haben, was er heute ist, beschlossen wir nach zwei basisdemokratischen Versammlungen aller aktiven Ehrenamtlichen (egal ob Mitglied im Verein oder nicht) mit großer Mehrheit, dass wir nicht zusehen würden, wie sich die Stadt Ulm die alleinigen Markenrechte an unserem Namen europaweit sichert. Nachdem Gesprächsversuche mit der Verwaltung erfolglos waren, nahmen wir Kontakt zu einer Anwaltskanzlei auf. Wir erstellten eine ausführliche Sammlung von Belegen zur Entstehung und Nutzung des Begriffs und des Logos, um fristgerecht Widerspruch beim EUIPO einlegen zu können. Dieser dient zunächst dazu, den Eintragungsprozess in eine „Cooling-Off-Phase“ zu überführen, in der sich die beteiligten Parteien an einen Tisch setzen und eine außergerichtliche, gütliche Lösung zur Verwendung der Marke finden können. Diese „Cooling-Off-Phase“ kann relativ einfach auf bis zu 24 Monate erweitert werden, um genügend Zeit zu haben, die Streitfragen zu klären. Wir haben dies der Stadt ausdrücklich angeboten.

Die Stadtverwaltung reagierte auf unseren Widerspruch, indem sie ab diesem Zeitpunkt nur noch über Anwälte mit uns kommunizierte. Alle bisherigen Verhandlungen zur Raumnutzung seien hinfällig. Wir bekamen ein neues Ultimatum für die Unterzeichnung einer von der Stadt allein vorgegebenen Version des Nutzungsvertrags. Wir wurden ermahnt, den Widerspruch zur Markenanmeldug sofort zurückzuziehen und der Stadt die Rechte an der Marke zuzubilligen – sonst würden wir die Räumlichkeiten räumen müssen.

Die Stadt behauptete in ihrer öffentlichen Darstellung der letzten Monate immer wieder, dass sie uns ja einen Nutzungsvertrag und rechtliche Möglichkeiten, die Marke mit zu nutzen angeboten hätte. Wir seien außerdem diejenigen gewesen, die sich auf keine Einigung eingelassen hätten. Auch diese Behauptungen können wir guten Gewissens bestreiten. Wir fragen uns im Nachhinein, ob je zu einem Zeitpunkt der Verhandlungen genug Verständnis für unsere Positionen vorhanden war, um auf gemeinsamer Basis ein Vertragskonzept finalisieren zu können. Die Stadt verschweigt in ihren öffentlichen Darstellungen außerdem stets die Machtverhältnisse während der Verhandlungen. Niemand hat die Stadtspitze gezwungen, unseren Namen als Marke anzumelden. Niemand hat die Stadt gezwungen, die Weiternutzung der Räume an die Aufgabe der Rechte an unserem Namen und an unserem Logo zu binden. Mit der Androhung eines Rauswurfs stand ein effektives Druckmittel im Raum. Die Stadt Ulm prägte durch ihre hauptamtlichen Kräfte den öffentlichen Diskurs. Wir bekamen keine Gelegenheit, in den Gemeinderatssitzungen selbst Position zu den Darstellungen der Verwaltung zu beziehen. All das sollte wohl dazu dienen, die Marke zu einem weiteren Instrument städtischer Kontrolle zu machen, sodass unser Engagement in gewünschte Bahnen gelenkt und beeinflusst werden könnte. Wir stellen die Möglichkeit, unter diesen Bedingungen die Digitalisierung der Verwaltung kritisch begleiten zu können, ernsthaft in Frage.

Die Umdeutung unseres Namens

Ein weiteres Kernproblem war und ist der durchgängige, seit Ende 2021 beobachtbare Versuch der Stadt, die Geschichte um den Namen „Verschwörhaus“ nachträglich umzuschreiben. Angeblich sei der Name eine von der Stadt erfundene Bezeichnung für den gesamten Gebäudekomplex am Weinhof 9, inklusive der weiteren darin enthaltenen Akteur:innen. Es gab und gibt durchaus einen Namen für das 2016 gestartete Projekt der Stadt, der in zahlreichen Dokumenten (wie bspw. in den GD von 2016 und 2017 oder durchgehend auch im Arbeitsvertrag der städtischen Projektstelle bis Ende 2021) genannt wird: Er lautet „Stadtlabor“. Die Stadtspitze hatte sich allem Anschein nach jedoch intern darauf geeinigt, ab einem gewissen Zeitpunkt (wir schätzen ab spätestens Herbst 2021) zu versuchen, „Verschwörhaus“ nachträglich als angeblich von der Stadt erfundenen, für das Gesamtprojekt am Weinhof 9 genutzten Namen zu etablieren. Das belegen zahlreiche interne und inzwischen auch öffentliche Versionen von Beschlussvorlagen zu GDs, neben sonstigen Unterlagen (s. bspw. auch die weiter oben schon einmal erwähnten Folien bei unserem Gespräch mit dem OB im November 2021). Wer es nachlesen will: Die Formulierungen in den ursprünglichen GD von 2016 und 2017 beinhalten noch mehrfach den Begriff „Stadtlabor“ oder benennen wie beispielsweise die GD 234/20 das ehrenamtliche Engagement. Die GD 134/22 – zu welcher wir damals nur schriftlich gegenüber dem Gemeinderat Stellung beziehen und unsere deutlichen Bedenken äußern konnten –, sowie die in wenigen Tagen zur Diskussion stehende GD 311/22 lesen sich hingegen eindeutig anders. In letzterer wird nach unserem Auszug aus den Räumlichkeiten nicht einmal mehr ehrenamtliches Engagement als Grundpfeiler des Konzeptes genannt, und die rückwirkende Umdeutung des Namens als angeblich von der Stadt betriebene Institution ist durchgehend erkennbar.

Diese Vereinnahmung und Umdeutung mussten wir schon sehr früh während der Verhandlungen zu einem Nutzungsvertrag erkennen, und wir beanstandeten dies auch stets. Letztlich mussten wir auch hier erkennen, dass die Vorstellungen zur Nutzung unseres Namens „Verschwörhaus“ zu weit auseinander lagen, um zu einer Einigung kommen zu können.

Wir waren jedoch nicht bereit, dem Ultimatum der Stadt nachzukommen und für unsere weitere Nutzung der Räume am Weinhof (mit komplett anderen Nutzungsregelungen, als im vorherigen, jahrelang erfolgreichen Betrieb) auf unseren Namen zu verzichten.

Der Rauswurf des Verschwörhauses aus den Räumen des Stadtlabors

All diese Vorkommnisse waren Grund genug, um im Juli 2022 schweren Herzens nach dem Ultimatum und auf Aufforderung der Stadt die „Hülle“ des Stadtlabors, wie wir sie 2016 vorgefunden hatten, zu verlassen.

Dieser unfreiwillige Auszug kostete uns – wieder einmal – viele hundert Stunden Arbeit. Wir zahlen seitdem monatlich Lagermiete für unsere auf über 25 Europaletten verpackte Makespace-Hardware. Erschwert wurde uns der Auszug obendrein durch einen erneuten, unangekündigten Schlössertausch, dessen Sinn uns bis heute niemand erklären konnte. In der aktuellen Beschlussvorlage GD 311/22, die am 10.11.2022 im Hauptausschuss beschlossen werden soll, behauptet die Verwaltung, dass dieser Tausch „nach vorheriger Ankündigung“ erfolgt sei, um einen „ordentlichen Prozess zu gewährleisten“. Fakt ist, dass wir wieder erst nach dem neuerlichen Schlosstausch über diesen informiert wurden. Uns ist auch bis heute unklar, wie der Tausch einen „ordentlichen Prozess“ gewährleisten sollte. Die immerhin rasch gefundene Interimslösung (wir bekamen temporär Schlüssel) bedeutete de facto keinen Unterschied zu dem Modus, mit dem wir zuvor Zugang zu den Räumen hatten – er war nur aufwändiger, und die Organisationsarbeit bis dahin nahm wieder unsere Zeit in Anspruch. Zusätzlich teilte uns die Stadt mit, dass sie die Räumung unserer Einrichtung in der Hälfte der vorher zugebilligten Räumungsfrist erwarte. Im Nachhinein schreibt die Stadt nun in der oben schon genannten neuen GD: „Das Inventar der Stadt und des Vereins wurde voneinander separiert und in getrennten Räumen gelagert, damit ein geordneter Auszug des Vereins umgesetzt werden konnte“. Wir können nicht umhin, festzustellen, dass nahezu alle diese Arbeiten (wie immer) komplett von uns Ehrenamtlichen durchgeführt wurden. Wir erledigten dies – wie verlangt – in kürzerer Zeit als zuvor vereinbart, mit neuen Schlüsselregeln, an Wochenenden und Abenden in unserer Freizeit. Nun beobachten wir erneut mit Irritation, dass die Verwaltung selbst bei unserem Rauswurf unsere Arbeitsleistung in Anspruch nimmt, ohne diese auch nur im Entferntesten zu würdigen.

Dort, wo vor wenigen Monaten noch ein vom Ehrenamt gepflegter Space mit bundesweit bekanntem Namen existierte, sollen nun neu aufzubauende Workshops unter städtischer Kontrolle stattfinden. In den Räumen, in denen wir abertausende Stunden ehrenamtliche Arbeit “von Bürger:innen für Bürger:innen” geleistet haben, kann die Stadt nun ihre Vision des „Stadtlabors“ ausleben.

Bislang scheinen wir jedoch mit der Durchführung des Jugend hackt Labs immer noch einen wesentlichen Teil des Angebots im Weinhof zu prägen. Zu unserem großen Bedauern will die Verwaltung – entgegen mündlicher Versicherungen aus dem Sommer – einem Antrag der CDU-Fraktion in Teilen folgen, und am 10.11.2022 den Gemeinderat über die Streichung des uns für 2021–2023 zugesagten Zuschusses für das Jugend hackt Lab abstimmen lassen. Wir finanzieren mit diesem Zuschuss – ergänzt durch weitere eingeworbene Mittel – eine seit Anfang 2021 beim Verschwörhaus e.V. angesiedelte Teilzeitstelle. An diesen Geldern hängt also ein Arbeitsvertrag; sie sind Teil des monatlichen Einkommens einer motivierten Person aus unserer Community. Die CDU begründete ihren Antrag damit, dass wir aus den Räumen ausgezogen seien und damit die Zusammenarbeit aufgekündigt hätten. Wir möchten daran erinnern, dass wir unser gesamtes Programm gerne am Weinhof fortgesetzt hätten (und das Jugend hackt Lab bisher tatsächlich weiter im Weinhof stattfand), aber von der Stadt zum Auszug aufgefordert wurden. Das Jugend hackt Lab ist auch nicht an einen Ort gebunden – das haben wir in den Hochphasen der Pandemie mit Onlineformaten gezeigt – und der Zuschuss erging an den Verschwörhaus e.V., nicht an „den Verschwörhaus e.V. in den Räumen am Weinhof“. Die Verwaltung argumentiert, dass der Zuschuss in den Mitteln des Stadtlabors fehle. Die in der aktuellen Beschlussvorlage genannten, noch aufzubauenden (d.h. vermutlich aus städtischen Mitteln neu zu beschaffenden) Materialien für Video- und Audiostudio waren bis Juli 2022 umfassend und in hoher technischer Qualität in den Räumen vorhanden – von uns eingeworben, und wie viele andere technische Betriebsmittel im Hauskomplex von uns aufgebaut, gewartet und gepflegt. Interessant ist auch, dass die Verwaltung durch unsere Eigenleistungen von 2016 bis 2021 die im Haushaltstitel „Stadtlabor“ vorgesehenen Mittel jährlich nie auch nur ansatzweise voll ausschöpfen musste.

Die Formulierung für diese Beschlussvorlage bekamen wir erst vor wenigen Tagen, am 28.10.2022, erstmals zu Gesicht. Das Schema, dass wir kurzfristig mit uns betreffenden Plänen konfrontiert und zu einer Reaktion innerhalb kürzester Zeit aufgefordert werden, ist hier wie auch schon in den letzten 12 Monaten erneut erkennbar.

Abmahnung und Klage

Nicht nur sind wir mit der Suche nach neuen Räumlichkeiten beschäftigt, traten wie auch die letzten Jahre auf der Kulturnacht auf und versuchen unsere Gemeinschaft nach dem Verlust der alten Räume zusammenzuhalten – gleichzeitig haben wir auch noch das Problem, dass die Stadt nach unserem Rauswurf und dem damit verbundenen Verlust ihres primären Druckmittels nun juristisch gegen uns vorgeht, um uns zur Aufgabe unseres Namens zu zwingen.

Zunächst erreichte uns im August ein anwaltliches Schreiben, gefolgt von einer Abmahnung derselben Kanzlei, die auch für die Stadt die Markenanmeldung beim EUIPO übernommen hatte. Im anwaltlichen Schreiben wurden wir dazu aufgefordert, unsere Domains inkl. Website (von uns angemeldet, seit jeher von uns bezahlt und gepflegt), unsere Social-Media-Accounts (von uns Ehrenamtlichen eingerichtet und bespielt), und unser Google-Business-Profil (von uns erstellt und gepflegt) an die Stadt herauszugeben. In der darauffolgenden Abmahnung wurde uns außerdem vorgeworfen, wir würden unseren Namen zu Unrecht nutzen. Weiterhin sollten wir eine Unterlassungserklärung abgeben, die eine Verwendung unseres Namens „Verschwörhaus“ mit empfindlichen Geldstrafen sanktioniert. Wir würden damit unsere Domains und Website aufgeben, mitsamt aller dahinter steckenden E-Mail-Accounts und verknüpften Nutzerkonten. Unser Social-Media-Following, das wir durch unser Engagement aufgebaut haben, würde dann einem rein städtisch kontrollierten Projekt folgen. Wir wären nach vielen Jahren Arbeit wieder zurück auf Los. Dass dies nicht akzeptabel ist, hatten wir bereits in einer Vollversammlung demokratisch beschlossen. Zusätzlich wurde in der Abmahnung – so wie auch in der öffentlichen Kommunikation der Stadt Ulm zum Thema Verschwörhaus seit ungefähr Ende 2021 – eine Geschichte zu Namensfindung, Aufbau der Räume, und Verhältnis zur Stadtverwaltung erzählt, die nur schwer mit den von uns gemachten Erfahrungen und den uns vorliegenden Belegen seit 2010 vereinbar ist.

Ein Teil dieser Belege war aufgrund unserer Vorarbeit zum Widerspruch zur Markenanmeldung glücklicherweise bereits gut katalogisiert. Gemeinsam mit weiteren Belegen aus der ehrenamtlichen Konzeptionsphase konnte unsere Anwältin in unserer Erwiderung zur Abmahnung detailliert darlegen, warum die Behauptung der Stadtverwaltung, sie habe sich den Namen ausgedacht – vorsichtig ausgedrückt – höchst unplausibel erscheint. Wir hatten aufgrund der Darstellung der Stadt den Eindruck, dass es sich hier vor allem um einen verzeihbaren Fehler der Verwaltung handelte, die rückblickend ihre eigenen Erinnerungen durcheinander gebracht hatte. Wir dachten, wir könnten unmissverständlich klarstellen, dass eine 2018 in Betrieb gegangene städtische Digitale Agenda kaum 2016 durch den Beschluss der Einrichtung des „Projekt Stadtlabor“ einen Namen erfunden haben konnte, der nachweislich bereits vorher von uns benutzt und auch erstmals durch uns öffentlich verwendet wurde. Wir waren der Überzeugung, dass durch die Faktenlage sehr klar hervorgeht, dass wir eindeutig belegbar die älteren Rechte an unserem Namen haben – und dass es für die Stadt demnach keinen Sinn ergibt, die Situation juristisch weiter zu eskalieren.

Leider beschloss die Stadt im September 2022 trotz dieser, unserer Meinung nach sehr deutlichen und klar verständlichen Faktenlage, dennoch beim Landgericht Stuttgart Klage gegen uns einzureichen. Es geht hierbei um einen von der Stadt festgelegten sechsstelligen Streitwert, mit einem daraus resultierenden, signifikanten Prozesskostenrisiko im mittleren fünfstelligen Bereich für uns. Interessant ist, dass sich in der Klageschrift auch die Argumentation der Stadt geändert hat. Erneut wird zwar der Eindruck erweckt, dass der Name „Verschwörhaus“ von Anfang an durch die Stadt geplant gewesen sei. Nachdem wir jedoch herausgearbeitet hatten, dass der Name „Verschwörhaus“ belegbar zum ersten Mal in unserer Gruppe entstanden ist, bezieht sich die Stadt nun auf eine angebliche, viele Jahre zurückliegende Stadtmarketing-Kampagne, in der die „Verschwörtheit“ in der Stadt zum Ausdruck gebracht worden sei.

Besonders spannend ist aber, dass unser ehrenamtliches Engagement als selbstloser Einsatz dargestellt wird, mit dem wir gar keine Marke durch die Benutzung im geschäftlichen Verkehr aufbauen hätten können. Vielmehr habe die Stadt angeblich mit der Marke “Verschwörhaus” Fördermittel in immenser Höhe eingeworben – laut Stadt ein Beleg für ihren Markenanspruch. Die von der Stadt angeführten Belege hierfür zeigen unserer Ansicht nach keineswegs, dass diese Fördermittel für das oder gar unter Verwendung des Namens Verschwörhaus eingeworben wurden. Außerdem ist für uns nicht nachvollziehbar, wie ein vom Ehrenamt erfundener und mit bundesweit beachteten Inhalten gefüllter Name, der – zum Beispiel durch von uns verfasste Unterstützungsschreiben samt Unterschriftenlisten der Aktiven – die Verwaltung bei der Einwerbung von Smart-City-Fördergeldern unterstützt haben soll, ein Argument dafür sein soll, dass der Name der Stadt gehöre.

Nun sind wir kein großer Verein. Es sind nicht sehr viele Aktive, die das tägliche Geschehen (wie Öffentlichkeitsarbeit, Locationsuche, Klageerwiderung) zurzeit bewältigen. Wir waren jedoch seit 2015 (je nach Lesart sogar seit 2010) an der Entstehung unseres Verschwörhauses beteiligt. Wir können einen detaillierten Zeitstrahl der Entstehungsgeschichte inklusive vieler Belege vorweisen und glaubhaft darstellen, dass der Name unsere Schöpfung ist und von uns geprägt wurde. Daher haben wir nicht vor, die unserer Meinung nach rechtsmissbräuchliche Markenanmeldung und das darauf aufbauende, fragwürdige Vorgehen der Stadtverwaltung zu akzeptieren. Mehr können wir aktuell – leider – nicht öffentlich zum laufenden Rechtsstreit sagen.

Wir bedauern sehr, dass der einst durch beispielhafte Zusammenarbeit in Deutschland aufgebaute Ruf, den die Stadtverwaltung in der Digitalisierungsszene genoss, durch diesen von der Stadt selbst verursachten Streit seit Monaten massiven Schaden erleidet. Wir freuen uns auch über die Sympathiebekundungen, die wir von überraschend vielen Menschen aus der Verwaltungsszene in ganz Deutschland bekommen haben. Der Fall scheint umfangreich diskutiert zu werden – aber wie es im eGov-Podcast heißt: In der Fachcommunity werde das zwar intensiv beobachtet und sei auch allen präsent, wohingegen in Ulm selbst dieser immer größer werdende Knacks im Ulmer Verwaltungsleuchtturm kaum wahrgenommen zu werden scheint. Solange das so ist, geht die Strategie der Ulmer Stadtverwaltung wohl kurzfristig auf.

Ausblick und sonstige Bemerkungen

Wir wollen es an dieser Stelle explizit noch einmal sagen: Die Stadt hätte oft die Möglichkeit gehabt, diese gesamte Angelegenheit für alle Beteiligten stress- und konfliktfrei zu lösen. Wir waren dazu immer bereit. Das sagen wir mit gutem Gewissen, denn unser Anliegen war stets eine gütliche Einigung und ein respektvoller Umgang miteinander. Allerdings beruht eine Zusammenarbeit – eigentlich immer, aber im Besonderen mit dem Ehrenamt – auf gegenseitigem Respekt und einem Verständnis für die jeweilige Kultur. Das Fehlen eines Selbigen wird uns von der Stadt gerne vorgeworfen, während wir parallel dazu in der Presse und vor der Öffentlichkeit von der Stadtspitze als „unflätig“ (Paywall) oder „zwei handvoll Durchgeknallte“ dargestellt werden.

Es gab auch gar keinen für uns nachvollziehbaren Anlass, den Fortbestand der Ehrenamtscommunity im Weinhof zwingend an einen Nutzungsvertrag zu binden. Im Verlauf unserer jahrelangen ehrenamtlichen Betätigung dort gab es nie einen Anlass, der den massiven Vertrauensverlust der Stadt in uns zum Herbst 2021 begründen würde.

Derzeit möchten wir vor allem eines: Von der Stadtverwaltung und -spitze in Ruhe gelassen werden. Wir möchten an einem neuen Ort die Idee unseres Verschwörhauses fortsetzen können, ohne uns gegen juristische oder verwaltungstechnische Angriffe behaupten zu müssen. Der Weg dahin ist simpel: Die Stadt darf gerne am Weinhof 9 ein Stadtlabor betreiben, wenn sie das möchte. Sie braucht dafür unseren Namen nicht, und muss auch nicht versuchen, ihn uns durch eine heimliche Markenanmeldung abzunehmen. Wir machen parallel dazu unser Ding, wie schon von Beginn an gedacht, gerne auch in Zusammenarbeit mit der Stadt, um konstruktiv den Weg in eine nachhaltig digitalisierte Zukunft insbesondere in der Verwaltung zu begleiten. Dass die Stadt Räume als Hülle zur Unterstützung der Arbeit des Digitalen Ehrenamts geschaffen hat, war deutschlandweit vorbildhaft und hat zu jahrelanger, immens fruchtbarer Arbeit und positiver Außenwahrnehmung unserer Stadt geführt. Diese Arbeit wenigstens nicht weiter zu stören, sollte das Mindeste sein, was man uns zugestehen könnte.

Die städtische Nutzung des ursprünglichen Begriffes „Stadtlabor“ wäre unserer Ansicht nach also eine einfache, gangbare Lösung, die während der Verhandlungen teils schon in der Verwaltung Anklang fand und angenommen hätte werden können. Der notwendige „Kulturwandel in der Verwaltung“ ist schließlich seit Jahren ein Dauerbrenner auf allen Verwaltungsdigitalisierungsveranstaltungen. Aktuell böte sich eine hervorragende Gelegenheit, die dabei oft und viel beschworene Fehlerkultur auch in der Praxis zu zeigen.

Wir möchten nicht unseren Schmerz verbergen, den wir fühlen, wenn uns bewusst wird, dass wir mit unserer Idee des Verschwörhauses als Vorbildprojekt gefühlt drei Schritte weiter waren als ein ab jetzt städtisch geführtes Stadtlabor es anhand der letzten GD erahnen lässt. Wir haben uns stets gefreut, wenn Mitarbeitende aus der Stadtverwaltung in unsere Formate eingetaucht sind und darüber auch die überregionale Ehrenamtscommunity kennenlernen konnten. Uns hat es ebenso mit großer Freude erfüllt, wenn diese Mitarbeitenden bereits nach kurzer Zeit wichtige Zusammenhänge der Verwaltungsdigitalisierung in überdurchschnittlicher fachlicher Tiefe erkennen und in eigenen Beschlussvorlagen wiedergeben konnten. Dieser Aufbau wichtiger Kompetenzen in der Verwaltung selbst, durch den Austausch auf Augenhöhe mit dem Digitalen Ehrenamt unterstützt, ist das, was wir uns immer gewünscht haben. Stattdessen mussten wir feststellen, dass dieses Wissen auf strategischer Ebene gegen Wände lief – sehr zur Frustration dieser frisch befähigten Mitarbeitenden. Hierbei betrachten wir mit Sorge, dass gerade diejenigen Mitarbeiter:innen der Digitalen Agenda der Stadt Ulm, bei denen wir den beeindruckendsten Kompetenzzuwachs beobachten konnten, mittlerweile allesamt ihre Anstellung bei der Stadt beendet haben.

Auch beobachten wir seit einigen Monaten mit großem Stirnrunzeln eine Abkehr vom 2018 gemeinsam gefundenen Weg, der ausdrücklich nicht auf Leuchtturmprojekte und Fassadendigitalisierung setzen sollte, sondern – ganz im Sinne des „Nachhaltig“-Claims der Ulmer Smart-City-Bemühungen – auf eine dringend notwendige strategische Ertüchtigung der öffentlichen IT, auf der all die Digitalisierungsprojekte der öffentlichen Hand aufbauen.

Als immer noch engagierte und motivierte Ehrenamtliche, die am Ende des Tages die gleiche Mission verfolgen wie seit dem Beginn unserer Entstehungsgeschichte, wünschen wir uns nichts sehnlicher als eine Rückkehr zur gemeinsamen Arbeit an den wirklich wichtigen Zukunftsthemen – anstatt unsere Kräfte in einem Rechtsstreit entwertet sehen zu müssen.

Wir hoffen, dass diese ausführliche Darstellung interessant war und euch etwas mehr Hintergrundinformationen zu den letzten Monaten geben konnte. Wir sind jedenfalls nach wie vor hier, wir machen weiter, und wenn uns nicht morgen die nächste Welle Anforderungen zu überrollen droht, berichten wir so bald wie möglich wieder detaillierter von unserer Reise durch den deutschen Verwaltungsurwald.

Euer

Verschwörhaus