Information zum Schlössertausch am 14. Juni

Information zum Schlössertausch am 14. Juni

Wir haben heute Morgen erfahren, dass die Stadtverwaltung erneut die Schlösser der Räumlichkeiten am Weinhof getauscht hat. Dieses Mal sind nicht angebliche Brandschutzprobleme der Anlass (und die im November gefundenen Mängel sind unseres Wissens bis heute auch nicht behoben). Dennoch wurde die Schließanlage, die offenbar schon vor einiger Zeit bestellt worden sein muss, buchstäblich über Nacht und ohne Ankündigung ausgetauscht. Die Ehrenamtlichen, die in den vergangenen Jahren das Programm und damit den Namen aufgebaut und gestaltet haben, haben derzeit somit keinen selbstbestimmten und mit den Uhrzeiten ehrenamtlichen Engagements kompatiblen Zugang zu den Räumen und der dort untergebrachten, vielfach uns oder dritten Förderern gehördenden Einrichtung. Die von uns geplante Aufrechterhaltung des öffentlichen Programms bis zu unserem Auszug und der damit verbundene Betrieb eines – wie von der Stadtverwaltung gewünschten – offenen Hauses scheint dadurch fraglich.

Die E-Mail der Leitung des Stadtlabors begründet dies folgendermaßen:

Als Leiter des Verschwörhauses bin ich verantwortlich für die Räumlichkeiten und das Inventar der Stadt Ulm im Weinhof 7-9 EG und UG. Daher muss ich als Leiter vernünftiges Risikomanagement betreiben und dieser Verantwortung gerecht werden. […] Diese beinhaltet unter anderem den geregelten Zugang der Räumlichkeiten durch Vereinsmitglieder und Community in dieser für alle Beteiligten angespannten Situation. Aktuell kenne ich nicht die einzelnen Sichtweisen von jedem Communitymitglied, welcher mit einem eigenen Schlüssel Zutritt zu den Räumlichkeiten hat. Daher kann ich auch nicht das Risiko einschätzen, das z.B. von einem auf den anderen Tag die Räumlichkeiten komplett leer stehen oder ähnliches. Da ich nicht einen Monat 24 Stunden im Weinhof campieren möchte, musste ich leider heute die Schlösser austauschen. Dennoch werde ich euch weiterhin natürlich den Zugang zu den Räumlichkeiten gewähren und passe mich dort einen Monat gerne euren Zeiten ein wenig an. Es geht in diesem Punkt nicht um eine weitere Eskalationsstufe, sondern um meine Verantwortung welche ich wahrnehmen muss. Gerne bespreche ich mit euch in einem persönlichen Gespräch, wie ich euch den Zugang zu den Räumlichkeiten bestmöglich gewähren kann. In diesem Gespräch könnt ihr gerne eure Risikoeinschätzungen und Interessen mit mir austauschen. Ich bin mir sicher, dass wir eine gute gemeinsame Lösung finden werden.

Nachdem die zunächst zugesagte Frist für unseren Auszug von der Stadtverwaltung bereits ohne ersichtlichen Grund halbiert wurde, sind wir nun auch über diese unangekündigte Massnahme überrascht.

Auf abstrakter Ebene und wenn wir uns in eine reine Verwaltungsdenkweise zu versetzen versuchen, können wir die Risikoeinschätzung zumindest teilweise verstehen. Wir sehen hier aber auch einen umfassenden Vertrauensentzug zu der Gruppe der Aktiven, die in den vergangenen Jahren maßgeblich den überregionalen guten Namen des Hauses aufgebaut und das laufende Angebot in ihrer Freizeit gestaltet hat. Die Stadt versichert gleichzeitig in der Öffentlichkeit, dass all ihre Einrichtung inventarisiert und gekennzeichnet sei, und sie keinen „Rosenkrieg“ wolle (Tagesspiegel Background vom 14. Juni 2022, leider Paywall). Gleichzeitig scheint das Misstrauen so groß zu sein, dass wir nur noch unter Aufsicht die Räume nutzen und den Auszug nach unserem Rauswurf vorbereiten sollen. Die mildeste denkbare Maßnahme der Stadt zur Sicherung ihres Inventars ist, uns den Zugriff auf das unsere zu verwehren.

Uns stellen sich hier mehrere Fragen. Zum Einen ist diese unangekündigte Machtausübung ein weiteres Indiz dafür, dass das noch im Oktober 2020 vom Gemeinderat beschlossene Ziel der Stärkung einer selbstbestimmten Selbstverwaltung der ehrenamtlich Aktiven (PDF, Seiten 9 und 12) nie ernsthaftes Ziel der Verwaltung gewesen ist. Schon in den Verhandlungen seit November missachtete die Stadtverwaltung diese vom Gemeinderat demokratisch beschlossene Zielsetzung durchgehend und konsequent.

Mit dem Schlosstausch sind für uns aber auch ganz praktische Fragen verbunden, die wir der Stadtverwaltung bereits gestellt haben:

  • wir stehen zu unserem Wort, unser Angebot an die Öffentlichkeit (beispielsweise Maker Mondays, das Jugend hackt Lab, den LoRa-Abend am Mittwoch, und F.U.C.K. am Freitag) bis zum zum Auszug aufrechtzuerhalten. Da es sich um abendliche Angebote handelt, die nicht selten bis spät in den Abend und die Nacht hinein gehen, stellt sich uns die Frage: Wer schließt mehrmals pro Woche nach Veranstaltungsende die Türen ab und beaufsichtigt uns gegebenenfalls bis kurz vor Mitternacht oder gar darüber hinaus? Oder wird es in Zukunft einen harten Cut zu einer gewissen Uhrzeit geben – so dass das Haus demnach überhaupt nicht mehr „offener für alle“ sein wird? Wir hatten darauf gehofft, unser Programm bis zum Auszug im friedlichen Nebeneinander fortführen zu können, ohne Gängelung und Schikane unterworfen zu sein.
  • der laufende Lastenrad-Verleih – der uns von der Verwaltung zur Auflage gemacht wurde – ist derzeit vom ungehinderten Zugang zu den Räumen am Weinhof abhängig. Wie soll dies auch am Wochenende künftig funktionieren?
  • Unklar ist auch, wie sich die Verwaltung die Vorbereitung unseres von ihr gewünschten Auszugs vorstellt. Zunächst hatte sie uns hier eine Frist bis Anfang August gesetzt, gestern hat sie erneut bereits getroffene Zusagen zurückgezogen und die angesetzte Frist halbiert. Wir werden hier auf unsere Freizeit in den Abendstunden und am Wochenende angewiesen sein und sind sehr gespannt, welche konstruktiven Lösungen sich die Stadt nun vorstellt.

Eine große Frage des Experiments am Weinhof war, ob eine Stadt sich auf den Umgang mit dem digitalen Ehrenamt einlassen kann. Aus unserer Sicht hätte dazu gehört, dass die Verwaltung die Bedürfnisse und Anforderungen versteht, in denen Ehrenamt überhaupt wachsen und gedeihen kann. Wir haben der Stadt immer gerne Input und Material geliefert, mit dem sie im Wettbewerb mit anderen Städten um die Vorreiterrolle in der Digitalisierung glänzen konnte. Es scheint sich nun leider zu zeigen, dass wir uns dafür immer nur an die Spielregeln einer klassischen Verwaltung hätten anpassen sollen, während die Stadt wenig bereit war, sich auf die Welt des Ehrenamts einzulassen.

Weitere Informationen werden wir hier baldestmöglich ergänzen.