Danke Stefan, für fünf Jahre Verschwörhaus

Danke Stefan, für fünf Jahre Verschwörhaus

Digitale Stadtentwicklung ist mehr als nur Technik und Buzzwords. Es braucht Köpfe, die zusammengesteckt werden und sich austauschen, die träumen, lernen, und die sich Neues ausdenken. Diese Köpfe kommen bei uns im Verschwörhaus zusammen, auf Einladung von Stefan Kaufmann. Nach fünf Jahren hat Stefan jetzt seine Stelle als Projektleiter aufgegeben. Wir wollen Danke sagen und in die Zukunft schauen.

Im Verschwörhaus kommen die unterschiedlichsten Menschen zusammen: Open-Data-Begeisterte sammeln Daten und pflegen Datensätze. Jugendliche experimentieren im Jugend-hackt-Lab. In der Werkstatt wird Holz gesägt und geschraubt. Es entstehen Hochbeete mit Sensorik und Selbst-Gieß-Funktion, auf denen alle Bürger*innen vor dem Verschwörhaus eine kleine Verschnaufpause einlegen können. Nicht zuletzt so wird dann auch das überregional bekannte Ulmer LoRaWAN mit konkreten Anwendungen gefüllt und in die Bürgerschaft getragen.

Kurz: Im Digitalen Ehrenamt setzen sich die Menschen hier in ihrer Freizeit dafür ein, dass die digitale Stadt zugänglich wird für alle.

Im Haus sind ganz verschiedene Menschen aktiv - manche sind nur kurz und für ein einzelnes Projekt da, viele engagieren sich ehrenamtlich und regelmäßig, und ein paar städtische Mitarbeiter:innen kommen auch mal nach Feierabend vorbei. Zur Unterstützung der ehrenamtlichen Struktur haben wir Mitte 2019 auch den Verschwörhaus e.V. gegründet, der sich als Trägerverein aber im Hintergrund hält. Wer mitmachen will im Verschwörhaus, muss kein Mitglied sein.

— sagt Simon, aktiv in der LoRa-Gruppe (jeden zweiten Mittwochabend).

Übrigens: Wenn wir hier »wir« schreiben, dann sind »wir« nicht der formale Vorstand des Vereins, sondern die Aktiven im »Hausi« – wie es gerne liebevoll genannt wird.

Stefan Kaufmann: Offene Arme, offene Räume

Es gibt nicht viele Orte in Deutschland, die so offen sind wie das Verschwörhaus. Geredet wird gerne über solche »Third Places«, Orte der Gemeinschaft, die eben nicht Arbeitsplatz oder Wohnung sind. Umso glücklicher sind wir über unser Verschwörhaus – und dankbar. Denn aus städtischer Sicht einen solchen offenen Raum bereitzustellen, ist nicht immer leicht: Die Stadt hat zwar das Gebäude gemietet, doch es muss von Menschen gestaltet werden. Denn wo Ehrenamtliche eigenverantwortlich gestalten sollen, kann es mitunter vorkommen, dass städtische Ansprüche zurückgestellt werden müssen.

Dafür hat sich Stefan Kaufmann stets stark gemacht. Vergangenen Freitag hatte er bei der Stadt Ulm seinen letzten Arbeitstag. Seit 2016 hat er in dieser Stelle das städtische Projekt »Stadtlabor«, also die Hülle des Verschwörhauses organisiert. Entstanden ist das Verschwörhaus ursprünglich aus der ulmAPI-Gruppe und Orga der ersten Jugend hackt Ulm Veranstaltung an der Uni, die Stefan mitgegründet hatte. Im Nachgang zum ersten Jugend hackt in Ulm entstand gemeinsam Brainstorming, Konzeption, und Vorbereitung, dies hat Stefan unermüdlich über Monate hinweg vorangetrieben, immer wieder engagierte Menschen mit eingebunden, und immer mit den zukünftigen Ehrenamtlichen als Gestalter*innen des Hauses im Blick. Bis der Gemeinderat am 28. April 2016 die Einrichtung beschlossen hat: »Stadtlabor Ulm - Das Experimentierfeld für die Welt von morgen«.

Seit 2016 hat sich viel getan. Als Leiter des städtischen Projekts »Stadtlabor« war Stefan Hausmeister, Ansprechperson für die Ehrenamtlichen, Anleiter für die Digital-FSJ-ler*innen, Netzwerker, Chronik, und Gehirn des Hauses (»Stefan, wo finde ich Heißkleber?« - »Im Klobürstenschrank«). Er hat Dinge möglich gemacht, voran gebracht und mit alledem diesen besonderen Ort geschaffen, mit dem er für immer verbunden sein wird.

Nicht der Sand, sondern das Getriebe

Das Haus sollte dabei nicht nur nach außen gut aussehen, sondern vor allem im Inneren für neue Ideen sorgen. Das zeigte schon einer der ersten Blogposts, die immer wieder Stefan selbst verfasste. Denn dokumentieren und Wissen teilen liegt in der DNA des Hauses:

Nun haben wir zwar gleich mehrere hundert Quadratmeter, aber viel wichtiger ist ja: Wer mag darin etwas machen? Und was? Und was braucht es dafür alles? Deswegen waren am 5. Juli Vertreter*innen ganz verschiedener Gruppen bei uns zu Gast: Von Jugend hackt über Freifunk, Leute aus dem CCC– und dem OpenStreetMap-Umfeld, dem Freiraum, dem OK Lab/ulmAPI, lokale Wikipedianer*innen, oder einfach nur so Interessierte. Mit teilweise respektablen Anfahrten, beinahe aus München, zum Beispiel.

Dienstag, 5. Juli 2016 — Der erste große Hirnsturm

So wurde das Verschwörhaus über die Jahre zum Ort des Wissensaustausches: Regional für interessierte Bürger*innen aus Stadt und Umland oder (inter)national für Vernetzungstreffen, beispielsweise der Wikidata-Community. Stets vorangetrieben von Stefan.

Konkretes Wissen über Digitalisierung, das wir über die Jahre im Haus gesammelt und geteilt haben, hat auch in der Pandemie dazu geführt, dass Menschen weiter zusammenkommen konnten – obwohl das Haus selbst heruntergefahren war und der Rest der Welt quasi still stand. Die Vorarbeiten dazu fanden durch die Menschen im Verschwörhaus statt: Wie kann man Videokonferenz-Software selbst betreiben und was braucht man für stabiles Streaming von Workshops und Vorträgen? Wie baut man eine virtuelle Welt, um sich in Zeiten der Pandemie kontaktlos zu treffen?

Ort der Begegnung – ganz besonders, wenn sonst nix geht

Dieses Wissen hat es ermöglicht, dass schon zu Beginn der Pandemie in unterschiedliche Richtungen Hilfestellungen, Expertise, und konkrete Unterstützung aus dem Haus kam. Beispielsweise entstanden auf den Servern im Haus BigBlueButton-Instanzen (BBB) – also eine Open Source-Videokonferenzlösung. Besonders zu Beginn der Pandemie wurde diese von dankbaren Ulmer Schulen und Abteilungen der Stadtverwaltung verwendet – teilweise ist das bis heute so. Des Weiteren kamen aus den hauseigenen 3D-Druckern Face Shields und Ohrenschoner für Uniklinik und Pflegepersonal, sowie CO2-Ampel-Bauteile. Auch wenn das Haus also von außen eher unbelebt schien, passierte innen sehr viel – über die Kabel und Server darin. Auch die Frauen* und Computerkram Gruppe (F.U.C.K.) konnte von der aufgebauten Infrastuktur, wie beispielsweise dem bereits erwähnten BigBlueButton, profitieren.

Wir konnten uns dank BBB die komplette Coronazeit weiter online treffen und sogar Workshops und Projekte gemeinsam durchführen, wie z.B. unseren kleinen Adventskalender. Besonders cool war, dass hierbei auch komplett unerfahrene Teilnehmende ein bisschen Programmiererfahrung sammeln und gängige Tools der Softwareentwentwicklung kennen lernen konnten.

— berichten Jana und Sabrina von F.U.C.K.

Neben der Pandemie auch noch Hochbeet bauen, OpenBike betreiben, OpenBikeSensor anschauen, Radwegmapping, mit der Allgäuer Ring-Fahrraddrängelgitter-Simulation Probleme aufzeigen, Kulturnacht organisieren – mit all diesen Dingen waren wir gut beschäftigt. Daher waren in den letzten Monaten leider nicht immer genug Kapazitäten übrig, um über alle Projekte auch auf unserer Webseite zu berichten, was sich in den nächsten Wochen wieder bessern soll.

Unser Verschwörhaus ist ein Erfolgsmodell. Es zeigt, wie man mit viel ehrenamtlicher Energie grundlegende digitale Infrastruktur aufbauen und betreiben kann. Aber: All das braucht seine Zeit (und Nerven!). Und es braucht jemanden, der uns Ehrenamtlichen dabei den Rücken freihält: das war bis jetzt Stefan als Projektleiter – oftmals auch außerhalb der üblichen städtischen Bürozeiten.

Und jetzt?

Noch ist unklar, wer zukünftig seitens der Stadt Ansprechpartner*in für die Ehrenamtlichen sein wird oder wie die Übergangszeit gestaltet wird. Die regelmäßigen Termine laufen jedoch entsprechend dem Kalender weiter!

Über den Sommer und Herbst hinweg haben wir versucht, das Haus vorsichtig zu öffnen und die Angebote vor Ort endlich wieder hochzufahren. Es finden einzelne Projekte und regelmäßige Termine in Präsenz statt, stets natürlich unter strengen Hygieneauflagen. Wir beobachten dabei auch weiterhin das aktuelle Infektionsgeschehen.

Wie es nun generell weitergeht, hängt auch davon ab, wer das städtische Projekt »Stadtlabor« in Zukunft in welcher Form und mit welchen Zielen koordiniert. Wir hoffen sehr, dass alle nächsten Schritte gemeinsam mit uns als Aktiven, mit Fingerspitzengefühl für ehrenamtliche Arbeit, und im Sinne der Historie und der Grundgedanken des Hauses gegangen werden.

Vor allem aber wollen wir an dieser Stelle Danke sagen – für die letzten 5 Jahren Verschwörhaus gemeinsam mit Stefan, und für alles was inzwischen zum Haus gehört und an diesem wunderbaren Ort passiert ist:

Danke, Stefan!

Mentor\*innen bei Jugend Hackt Ulm 2018 Mentor*innen bei Jugend Hackt Ulm 2018. Foto: Holger Dorn. Lizenz: CC BY 4.0

Titelbild: Stefan Kaufmann bei Jugend hackt Süd 2016. Foto: Eva-Maria Kühling. Lizenz: CC BY 4.0