Antworten auf die kleine Anfrage zu LoRaWAN und TTN

Im August 2021 stellten Daniel Karrais und andere MdL aus der baden-württembergischen FDP/DVP-Fraktion eine kleine Anfrage zu den Fortschritten rund um das im Koalitionsvertrag als Ziel vereinbarte LoRaWAN-Netz an die Landesregierung. Sie fragten u.A. ab, welche Maßnahmen die Regierung bislang ergriffen habe, um LoRaWAN voranzutreiben, nach welchen Kriterien Projekte gefördert werden sollen, und welche Bedeutung die Landesregierung offenen Netzen beimesse. Schöner Weise ist das Engagement der Ehrenamtlichen derart bekannt, dass explizit auch abgefragt wurde, „ob externe Stakeholder, wie etwa das Verschwörhaus in Ulm, mit in den Prozess einbezogen werden, um so auf bestehendes Know-how zurückzugreifen“ :)

Also wurden wir – natürlich neben einiger anderer Communities im Land – tatsächlich einbezogen und bekamen vom Innenministerium den Fragenkatalog mit der Bitte um Input zugesandt. Die komplette Antwort der Landesregierung wurde im September 2021 als Drucksache 17/659 veröffentlicht (PDF, 303 kB).

Da wir aber einfach mal zu allen angefragten Punkten eine Antwort abgegeben hatten, haben wir im Nachgang mit unserem Kontakt beim Innenministerium vereinbart, unsere komplette Antwort bei uns zu veröffentlichen. Bis auf kleine redaktionelle Änderungen folgt hier also unsere Einschätzung zu den abgefragten Punkten, wie wir sie ans Innenministerium übersandt haben:

Antworten TTN Ulm auf Drs 17/659, Einsatz von LoRaWAN (Long Range Wide Area Network)

Hintergrund: Im Sommer 2016 beschlossen Mitglieder des Unternehmervereins initiative.ulm.digital, den Aufbau eines freien LoRaWAN-Netzwerks über The Things Network (TTN) in Ulm voranzutreiben. Gemeinsam mit Akteuren aus dem Digitalen Ehrenamt wurde eine lokale TTN-Community gegründet. Auf Betreiben und aus Mitteln des Unternehmervereins konnten binnen weniger Monate bis Ende 2016 fünf professionelle Gateways im Stadtgebiet in Betrieb gehen, die zum Netzwerk beitrugen. Es folgten vier weitere in 2017 und 2018. Durch die Initiative konnten qualitativ hochwertige Standorte für die Montage gefunden werden (z.B. das Ulmer Münster, wobei die Installation und Anbindung gemeinsam mit Ehrenamtlichen aus dem Verschwörhaus abgestimmt und realisiert wurden).

Zeitgleich fanden Veranstaltungen rund um das Thema „Freie Sensornetzwerke“ im Verschwörhaus als Anlauf- und Austauschpunkt für die Digitale Zivilgesellschaft statt. Ein erster Austauschworkshop Anfang Dezember 2016 wurde von der initiative.ulm.digital finanziert, aus Reihen der Zivilgesellschaft finden seither nur durch die Covid-Einschränkungen unterbrochen zweiwöchentlich Austausch- und Entwicklungstreffen zum Thema statt.

  1. nach welchen Kriterien geeignete Projekte für eine Unterstützung ausgewählt werden;
  2. welche ihr bekannten Projekte dafür in Frage kommen (könnten);

Zu 3 und 4:

Die Wahl von The Things Network als Sensornetzwerk hatte zur Folge, dass in der Zwischenzeit verschiedenste Akteure weitere Gateways errichtet und somit zur Erweiterung der Abdeckung im Stadtraum beigetragen haben. Hierzu gehören zivilgesellschaftliche Akteure gleichermaßen wie Firmen oder das Studierendenwerk Ulm als Anstalt öffentlichen Rechts.
Gleichzeitig ist es möglich, dass Unternehmen auf den von ihnen betriebenen Gateways neben The Things Network auch ihr eigenes LoRaWAN-Netz empfangen, für das sie ihren Kunden auch Dienstgüteversprechungen machen können. Keiner der beteiligten Gatewaybetreiber nimmt somit anderen Akteuren etwas weg – im Gegenteil wird so das für die gesamte Bürgerschaft offene The Things Network stärker, während es Unternehmen unbenommen bleibt, parallel auf denselben Gateways kommerzielle Netze auszurollen.

Wir empfehlen daher, dass gemäß der Maxime „Öffentliche Gelder – öffentliche Güter“, die Förderung des Aufbaus und/oder Betriebs von LoRaWAN-Gateways für einen mehrere Jahre umfassenden Zeitraum an die Einbindung in ein für die gesamte Bevölkerung kostenfrei nutzbares LoRaWAN-Netzwerk gebunden ist. Dies könnte zum derzeitigen Zeitpunkt The Things Network sein: Entweder durch den nativen Empfang von TTN auf den Gateways, oder durch ein Roaming-Agreement.

Perspektivisch wäre es auch interessant, die notwendige Freie/Open-Source-Softwarebasis für den Betrieb des LoRaWAN-Stacks als Aufgabe der Daseinsvorsorge mit öffentlichen Mitteln weiterzuentwickeln und zu unterhalten. Dies würde bedeuten, dass auch wenn künftig The Things Network – aus welchen Gründen auch immer – kein der Allgemeinheit öffentliches Netzwerk mehr zur Verfügung stellen sollte, eine Alternative geboten werden würde.

  1. wie die geplante Unterstützung ausgestaltet ist bzw. sein könnte

Zu 5: Wir könnten uns vorstellen, dass hierfür FördernehmerInnen öffentliche Gelder für die Errichtung von Gateways erhalten, sofern sie wie oben beschrieben ein öffentlich nutzbares Netz wie TTN auf dieser Infrastruktur betreiben. Als FördernehmerInnen kommen sowohl Unternehmen in Betracht, die parallel zu TTN auch eigene Netze mit Dienstgütevereinbarungen betreiben, wie auch Kommunen oder gemeinnützige Organisationen aus der Zivilgesellschaft. Sinnvoll wäre hier auch, Förderkonsortien gemeinsam mit der öffentlichen Hand zuzulassen, um Gateways auf öffentlichen Gebäuden zu errichten. Anteilig könnten so die notwendigen Erschließungsmaßnahmen (Elektrik, Blitzschutz, Netzwerk) abgerechnet werden. Wir würden es begrüßen, wenn solche Standorte auch per Vereinbarung für den Betrieb weiterer offener Infrastrukturen wie z.B. als Relaispunkt für Freifunk-Netzwerke geöffnet werden müssten.

Weiter ist denkbar, die Technologie ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken, indem sich FördernehmerInnen für die Volksbildung i.S.d. Abgabenordnung engagieren und Wissen und Kenntnis in die breite Bevölkerung tragen, beispielsweise durch Workshops und Bildungsveranstaltungen. Perspektivisch ist hier nicht nur die Netz-Infrastruktur von Bedeutung, sondern auch die Zugänglichkeit von Internetdiensten, auf denen auch nichtkommerzielle Akteure die erhobenen Daten entgegennehmen, verarbeiten und ggf. veröffentlichen können. Dies könnte durch eine finanziell niederschwellige Zugänglichmachung geeigneter Werkzeuge wie beispielsweise eines individuellen TICK-Stacks auch für technisch nicht versierte NutzerInnen realisiert werden. Dieser Ansatz ist in Abgrenzung zu monolithischen Datenportalen oder des „Datenraum“-Konzepts zu verstehen, in dem es vor allem um die künstliche Konstruktion von Faktendaten als zwischen Unternehmen handel- und tauschbare Ware geht.

  1. ob externe Stakeholder, wie etwa das Verschwörhaus in Ulm, mit in den Prozess einbezogen werden, um so auf bestehendes Knowhow zurückzugreifen

Zu 6: Wir empfehlen den Einbezug der diversen lokalen und überregionalen Gruppen wie TTN Communities (https://www.thethingsnetwork.org/country/germany/), die neben Ulm unter Anderem auch in Stuttgart, Rhein-Main und Freiburg stark sind, sowie Freifunk-Initiativen und Code-for-Germany-Labs in den jeweiligen Regionen. Das digitale Ehrenamt kann in diesen Themen neutrale und objektive Beratung sowie ein fundiertes Fachwissen vorweisen.

Hier ist die niederschwellige Zugänglichkeit zu Austauschformaten für die vor allem ehrenamtlich Aktiven zu sichern. Für den Bereich offener Mobilitätsdaten existiert beispielsweise ein zweiwöchentliches Online-Format in den Abendstunden, an dem regelmäßig auch ein Austausch mit Stellen des Landes stattfindet.

  1. welche Bedeutung sie offenen Netzen und einer freien Nutzbarkeit von LoRaWAN beimisst;

Zu 7: Wie bereits beschrieben sind offene Netze wie TTN mehr als die Summe ihrer Teile und können durch ihren offenen Charakter perspektivisch nach einer öffentlichen Förderung eines Grundnetzes durch beliebige weitere Akteure wesentlich ergänzt werden. Die Offenheit solcher Netze ermöglicht die Entwicklung von Anwendungsfällen nicht nur Firmen, sondern erlaubt auch einer technisch interessierten Öffentlichkeit die Teilhabe an Forschung und Entwicklung auf Basis von Sensornetzwerken. Unserer Ansicht nach sollte es nach der Maßgabe „Öffentliche Gelder, öffentliche Güter“ wesentliche Förderbedingung sein, dass hierdurch geförderte Infrastruktur mindestens offene Netze wie TTN bedient.

  1. wie sie sicherstellt, dass die von ihr unterstützte Ausbreitung von LoRaWAN die bereits bestehenden Netze berücksichtigt und daran anknüpft, und so die Entstehung von Parallelentwicklungen und -systemen verhindert;

Siehe zu 7. Zudem ist in der aktuellen LoRaWAN-Architektur Roaming zwischen Netzen bereits auf Spezifikationsebene vorgesehen. Bestehende Freie Netze können somit per obligatorischer Roamingvereinbarung eingebunden werden. Der bestehende und aktive Roamingdienst Packet Broker steht beispielsweise hierfür allen Beteiligten zur Verfügung.

  1. wie weit der von der Netze BW GmbH angekündigte flächendeckende Ausbau des LoRaWAN, der bis Ende 2022 fertiggestellt sein soll, derzeit vorangeschritten ist;

Zu 9: Sie haben nicht um Unterstützung bei dieser Frage gebeten, aber nach uns vorliegenen (mündlichen) Informationen sind aktuell in BaWue 200 Gateways verbaut. Angekündigt waren 600 Gateways im Jahre 2020, Ende 2022 will man 3.000 Gateways verbaut haben.

  1. wie sie die Ausgestaltung des LoRaWAN der Netze BW hinsichtlich der Partizipationsmöglichkeiten von Dritten bewertet.

Zu 10: Nach den uns aktuell vorliegenden Informationen, entstanden aus Gesprächen mit Netze BW und/oder daran Beteiligten und Kunden, sehen wir darin keine Alternative zu den oben genannten Punkten und Ansätzen. Das von der Netze BW aufgebaute LoRaWAN Netz ist ein geschlossenes, kommerzielles Netz das keine freie sowie kostenfreie Verwendung ermöglich. Die uns bisher bekannten (ohne Gewähr) finanziellen Aufwände sind für ehrenamtliche oder gemeinnützige Organisationen zum Aufbau eines Gesamtnetzes im Alleingang nicht stemmbar.

Wenn ein LoRaWAN Netz gemeinschaftlich, dezentral, und wie oben beschrieben gemeinsam von Akteuren aus der Zivilgesellschaft, Firmen, Kommunen, oder von gemeinnützigen Organisationen aufgebaut wird, ist der gesamte Aufbau nicht von einer zentralen Stelle abhängig. Beliebige Akteure können das Netz erweitern, wegbrechende Akteure können durch neue ersetzt werden. Diesen Ansatz sehen wir bei einem monolithisch betriebenen Netz einer einzelnen Stelle wie Netze BW nicht.

Die von Netze BW eingesetzte LoRaWAN Netzsoftware von ZENNER setzt auf geschlossene und proprietäre Grundsätze und wiederspricht damit den oben genannten Vorteilen einer dezentralen und für die Anwender offenen und freien Lösung, beispielsweise der von TTN.